Mittwoch
Ich bin on fire! Ich bin in unserem Haus in meinem Atelier ganz oben am Dachboden und fertige die beiden letzten Farben der Frühlingsgefühle Kollektion an.
Blick auf die Uhr, - noch zwei Stunden bis ich den Junior hole. Zeit für ein schnelles Video! Stativ aufgebaut, Handschuhe an, Clay vorbereitet, Video gestartet, gedreht, Handschuhe aus, Video wieder gestartet, Handschuhe an, Clay geschnitten, Handschuhe aus, erneut Video gestartet, Handschuhe an, Clay verfeinert, Handschuhe aus, ... Video im Kasten, Schnitt und Bearbeitung später. Backofen klingelt, Schmuckstücke sind fertig und sehen großartig aus – weiter geht's!
Atelier aufräumen – Chaos stört die Arbeit. Alles muss ordentlich sein, um sich wohlzufühlen. Schnell etwas essen, heute kam das definitiv zu kurz, genauso wie mein Schlaf. Meine Bodybattery liegt morgens bei 55. Das könnte besser sein, aber wer um 5 Uhr schlafen geht, kann in sechs Stunden halt auch keine 95 Punkte aufbauen. Naja, bald...
In der Küche finde ich eine saubere Gabel und irgendwo hinten im Schrank einen Topf. Das Trinkglas hat raue Stellen, der Geschirrspüler braucht eine Generalreinigung.
Nach dem 11.3., dem Launch der neuen Kollektion, nehme ich mir Zeit für all das. Für den Geschirrspüler, den Boden mit den von Katzen verteilten Haarbüschel und dem verschütteten Saft der Kids (die das "gar nicht bemerkt haben"). Für das Badezimmer mit dem Zahnpastaspucke-verzierten Spiegel und Boden (echt, am Boden auch? Wie geht das?). Für die klebrigen Muster auf den Oberflächen und die undefinierbaren Tupfen von dickflüssigen Speisen. Scheinbar ist man gesetzlich verpflichtet, einen Löffel immer auf dem Tisch abzulegen, ohne ihn vorher zumindest abzuschlecken.
Ich nehme mir auch Zeit für Couchtisch, Kommode, Esstischende und Couch und werde sie von Flugblättern, noch mehr Geschirr, Büchern, Wäsche, sowie den Errungenschaften der Großen wie Schminksachen, Häkelnadeln, Haarspangen und mehr befreien.
Den Junior zur Schule bringen, dann ab zum Fußball und vorher noch schnell ins Geschäft für Kraftfutter. Die Jacke für den kurzen Weg lasse ich weg – schließlich haben wir fast schon Frühling. Nach der Rückkehr teile ich rasch ein Reel. Irgendeine Expertin mit 50.000 Followern und einem Monatsumsatz von 35.000 Euro behauptet, man müsse 90 Tage lang regelmäßig ein Reel posten, damit der Algorithmus merkt, dass man es ernst meint. Warum das eine Reel nur von 100 Leuten gesehen wird, während das andere 1500 erreicht, erklärt sie nicht. Immerhin stehe ich momentan bei 99 Followern, und ab 100 eröffnen sich wohl weitere Möglichkeiten oder so. Bin gespannt, denn aus 99 Followern können schnell wieder 97 werden, und dann scheinen 100 plötzlich wieder in weiter Ferne. Social Media.
Freitag
Freitag, Weltfrauentag – definitiv ein Grund zum Feiern! Das Geschäft läuft super, ich freue mich über die Bestellungen und die Freude meiner Kundinnen. Aber irgendwie fühle ich mich nicht ganz fit, mein Hals tut weh, und ich bin müde. Gestern war ich noch bei der Ärztin wegen meines Halses, um eine Angina zu vermeiden. Sie gab Entwarnung und verschrieb mir ein paar Dinge zum Einnehmen. Gut so, das wird hoffentlich alles abfangen. Ganz sicher. Weil am Montag ist große Stress vorbei und dann wird die Bude auf Hochglanz gebracht, ebenso wie mein Prachtkörper. Nämlich im Fitnessstudio, per Vertrag. Damit ich das Haus verlassen muss, das ist nämlich ein bisschen ein Dilemma wenn man arbeitet wo man wohnt. Man wird sonst zum Eremit. Also, los gehts, roboti, roboti: Bestellungen packen, Reels vorbereiten, Social media füttern, Familienzeit, Homepage auf den neuen Launch anpassen, geschlafen wir auch nach dem 11.3.
Sonntag
Ich hatte mir alles so schön und durchgetaktet vorgestellt. Alles sollte so reibungslos ablaufen. Genau... scheiß ohne Jacke gehen.
Auf der Couch liegend fühlt sich mein Kopf an, als würde er mit der Pummerin um die Wette schlagen. Meine Nase gewinnt auch einen Preis – Rudolf, das Rentier, ist gegen mich ein billiger Abklatsch. Neben mir stapeln sich Lutschtabletten, Kopfschmerzpulver und ein Berg von angerotzten Taschentüchern. Ein vertrockneter Teebeutel hinterließ auf dem Couchtisch ein interessantes Muster und rundet das Chaos perfekt ab. Ich frage den Mann, ob es wohl alte Socken irgendwo gibt, damit ich mir den Weg nach oben ersparen kann. Und tatsächlich werde ich schnell fündig. HOCH LEBE UNSER CHAOS!
Frustriert starte ich einen Serienmarathon. Die letzte Staffel Supernatural habe ich bis heute nicht fertig gesehen – wann, wenn nicht jetzt?
Um mein Seelenheil zu bewahren, gönne ich mir Schokostangerl und Softcakes. Ziemlich sinnlos ohne Geschmackssinn, aber jetzt ist es sowieso schon egal. Mein ganzer Plan ist dahin: Kein Frühjahrsputz am Montag, kein Reload des Traumkörpers. Der grippale Infekt zerstört meine schön konzipierte Exceltabelle im Kopf. Blödes Kranksein.
Und das wirklich oberblödeste daran ist, dass ich das Roastbeef vom Mann, das er mit so viel Liebe zubereitet hat, gar nicht schmecken kann.
Montag
6:20 Uhr - Krankheit schützt vor Montag nicht. Und die Kids wollen vielleicht nicht, müssen aber in die Schule. Ich fühl mich immer noch krank, die ganze Hoffnung einer wundersamen Heilung und alter Stärke ist dahin. Ich ergebe mich kranksein, den heutigen Tag genauso zu verbringen wie gestern. Mit Dean und Sam Dämonen jagen, geschmackloses Essen in mich reinschieben (geplanterweise mit ein bissl mehr Disziplin), noch mehr Berge Rotzfetzen produzieren und gesund werden. Mir selber leid tun weil ich nix tun kann, der Plan nach hinten verlegt werden muss. Ich schau auf meine Bodybattery. Sie zeigt 76 Prozent. Ein Plus von 26 Punkten zu den Tagen und Wochen davor. Und dann geht mir ein Licht auf!
Manchmal braucht es wohl einen erzwungenen Halt, um neue Energie zu tanken. Schon habe ich einen neuen Plan: morgen ist meine Bodybattery bei 90, wenn nicht bei 100 Prozent. Ich lass das Chaos sich selbst über, dreh den Fernseher auf und lasse mich ein aufs GESUNDWERDEN.
Passt gut auf euch und euren physischen wie mentalen Zustand auf! Keine Arbeit der Welt, kein Chaos im Haushalt, kein Stressmoment ist es Wert, nicht auf seinen Körper zu hören und ihm die notwendigen Ruhepausen zu gönnen. Geist über Körper funktioniert eben nur so lange, bis der Körper einem das Gegenteil beweist. Mit Herz, Yvonne
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